Am 14. November 2024 hat der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil in einem interessanten Fall gefällt, der die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung betrifft. Unter dem Aktenzeichen 3 StR 189/24 wurde das vorangegangene Urteil vom Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg teilweise geändert. Die Entscheidung bezieht sich auf eine Frau, die in das syrische Bürgerkriegsgebiet reiste, um sich dem sogenannten „Islamischen Staat“ (IS) anzuschließen. Ihr Fall wirft ein Licht auf die rechtlichen Implikationen von Rückkehrern aus Krisengebieten und die rechtlichen Konsequenzen ihrer Handlungen.
Der Weg in den Terrorismus: Die Einreise ins Krisengebiet und die Lebensumstände unter dem IS
Die Angeklagte, eine Frau mit deutscher und algerischer Staatsangehörigkeit, reiste im März 2014 mit ihrer einjährigen Tochter von der Türkei in das syrische Bürgerkriegsgebiet. Ihr Ziel war die Stadt Rakka, die zu dieser Zeit unter der Kontrolle des IS stand. Dort lebte bereits ihr Ehemann, der sich der terroristischen Organisation angeschlossen hatte. Gemeinsam bezogen sie eine Wohnung, und die Frau schloss sich ebenfalls dem IS an. Während ihr Mann in einer prominenten Position als Medienbeauftragter und Kämpfer diente, übernahm sie die Rolle der Haushaltsführung und Erziehung der Kinder im Sinne der IS-Ideologie.
Die Familie erhielt finanzielle Unterstützung durch den IS, doch das Leben in Rakka war gefährlich. Ab Sommer 2015 war die Stadt fortlaufenden Luftangriffen ausgesetzt, die das Leben der Bewohner bedrohten. Im September 2015 kam ihr Ehemann bei einem Drohnenangriff ums Leben. Daraufhin erhielt sie ein Witwengeld und Unterstützung durch Sachspenden. Ende 2015 heiratete sie einen weiteren IS-Kämpfer nach islamischem Ritus und führte auch für ihn den Haushalt, bis sie sich 2017 scheiden ließ. Als die Angriffe auf Rakka zunahmen, zog sie mit ihren mittlerweile drei Kindern in die IS-Hochburg Mayadin. Im August 2017 kehrte sie mit ihren Kindern in die Türkei zurück.
Die Angeklagte war sich der Gefahren für Leib und Leben ihrer Kinder bewusst, als sie in das Krisengebiet reiste. Sie kannte die Brutalität des IS, darunter Terroranschläge und Gräueltaten wie die Versklavung der Jesiden. Trotz dieser Kenntnisse unterstützte sie den IS aktiv, indem sie durch ihre Rolle innerhalb der Familie zur Aufrechterhaltung der Organisation beitrug.
Revision und rechtliche Neubewertung durch den Bundesgerichtshof
Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland wurde die Angeklagte vom Oberlandesgericht Hamburg wegen zweier Fälle der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland sowie wegen Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht verurteilt. Im Revisionsverfahren kam der BGH zu dem Schluss, dass die Handlungen der Angeklagten eine einheitliche Tat im Sinne der mitgliedschaftlichen Beteiligung darstellen und somit nur eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten ausgesprochen werden sollte.
In seiner Entscheidung hat der BGH eine frühere Rechtsprechung aufgegeben, die die verschiedenen Beteiligungshandlungen an einer terroristischen Vereinigung als mehrere selbständige Taten angesehen hatte. Der BGH urteilte, dass alle Handlungen im Interesse der Vereinigung als eine einzige Tat zu betrachten sind. Damit wurden die vorherigen zwei tatmehrheitlichen Fälle und die damit verbundene Gesamtfreiheitsstrafe in eine einzige Tateinheit zusammengefasst. Der BGH gab an, dass die Entscheidung des Oberlandesgerichts in Bezug auf die Erziehungs- und Fürsorgepflichtverletzung in Tateinheit mit der mitgliedschaftlichen Beteiligung aufrechterhalten bleibt.
Dieses Urteil zeigt, wie komplex die rechtlichen Bewertungen bei Rückkehrern aus Krisengebieten sein können und wie wichtig eine differenzierte Betrachtung der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung ist. Die Entscheidung des BGH sorgt für Klarheit in der Beurteilung von Taten, die im Zusammenhang mit terroristischen Organisationen stehen, und bietet eine Grundlage für zukünftige Fälle ähnlicher Art.
Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14. November 2024, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.