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Isabelle Gronemeyer, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Strafrecht

Geplant, statt im Affekt? Heimtücke und Google-Suche

Lesen Sie im heutigen Blogartikel der Kanzlei Gronemeyer aus Essen über eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 19. Dezember 2024 (Az. 5 StR 588/24). Der Fall dreht sich um einen Mann, der seinen ehemaligen Fußballtrainer mit einer Axt tötete, nachdem er sich an den sexuellen Missbrauch durch diesen Trainer erinnert hatte. Das LG Zwickau hatte den Angeklagten wegen Totschlags verurteilt, doch der BGH sah die Notwendigkeit, die Beweiswürdigung und die Bewertung der Tatmerkmale zu überprüfen.

 

Vorgeschichte und Tatmotive des Angeklagten

Der Angeklagte wurde im Jahr 1999 als 15-Jähriger von seinem damaligen Fußballtrainer sexuell missbraucht. Nach einem Autounfall im Jahr 2011 entwickelte er eine dissoziative Amnesie, die seine Erinnerungen an den Missbrauch nahezu auslöschte. Diese Erinnerungen kehrten nur bruchstückhaft in Form von Träumen zurück.

 

Im Jahr 2023 begann der Angeklagte, intensiv im Internet nach Informationen über Kindesmissbrauch und Selbstjustiz zu suchen. Er stieß auf den Namen seines ehemaligen Trainers, der zu dieser Zeit eine Haftstrafe wegen eines ähnlichen Delikts verbüßte. Der Angeklagte entschloss sich, Kontakt zu seinem ehemaligen Trainer aufzunehmen, um Gewissheit über seine Erinnerungen zu erlangen.

 

Am 3. Juli 2023 trafen sich der Angeklagte und sein ehemaliger Trainer zum ersten Mal wieder. Das Treffen verlief ruhig, der Angeklagte fand den Trainer nett und sympathisch. Sie verabredeten ein weiteres Treffen für den 5. Juli 2023. Bei diesem zweiten Treffen gestand der Trainer den Missbrauch und offenbarte, dass er weiterhin als Jugendtrainer tätig sei. Der Angeklagte geriet in Panik, verließ das Haus und griff nach einer zufällig entdeckten Axt. In einem Zustand hoher affektiver Erregung kehrte er ins Haus zurück und schlug fünfmal mit der Axt auf den Kopf des Trainers ein, der ihm mit dem Rücken zugewandt saß.

 

Nach der Tat stellte sich der Angeklagte der Polizei und gestand die Tat. Vor Gericht gab er an, dass er von der Erkenntnis übermannt worden sei, dass der Mann, der ihn missbraucht hatte, noch immer mit Kindern und Jugendlichen arbeitete. Das LG Zwickau verurteilte ihn wegen Totschlags und stellte eine erhebliche verminderte Schuldfähigkeit fest. Das Gericht war der Meinung, dass der Angeklagte aufgrund einer Bewusstseinsstörung im Affekt gehandelt habe, ausgelöst durch das Eingeständnis des Täters und die daraufhin erlebte Panik.

 

Überprüfung durch den Bundesgerichtshof

Das LG Zwickau verurteilte den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren. Es stellte fest, dass der Angeklagte objektiv heimtückisch gehandelt habe, ihm jedoch das erforderliche Ausnutzungsbewusstsein gefehlt habe. Das Gericht sah auch keine niedrigen Beweggründe, da der Angeklagte aufgrund seiner Erkrankung nicht in der Lage gewesen sei, emotionale Tatmotive wie Rache oder Hass zu entwickeln.

 

Der BGH sah jedoch erhebliche Defizite in der Bewertung des Falls durch das LG Zwickau. Das Gericht bemängelte, dass das LG die Indizien für eine mögliche Tatplanung nicht in ihrer Gesamtheit gewürdigt habe. Der Angeklagte hatte im Vorfeld der Tat intensiv im Internet zu Themen wie Kindesmissbrauch, Mord und Selbstjustiz recherchiert. Diese Recherchen, zusammen mit der Tatsache, dass der Angeklagte den Trainer unter einem Vorwand zu sich nach Hause eingeladen hatte und die Axt unmittelbar verfügbar war, hätten in ihrer Gesamtheit betrachtet werden müssen.

 

Der BGH kritisierte auch die Ablehnung des Mordmerkmals der Heimtücke durch das LG. Heimtückisch handelt, wer die Arglosigkeit und die darauf beruhende Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tat ausnutzt. Das LG hatte maßgeblich darauf abgestellt, dass es dem Angeklagten affektbedingt gleichgültig gewesen sei, ob sein Opfer arg- und wehrlos war. Der BGH stellte jedoch klar, dass es nur darauf ankomme, ob der Täter die relevanten Umstände wahrnimmt und in dem Bewusstsein handelt, einen schutzlosen Menschen zu überraschen.

 

Aufgrund dieser Mängel hob der BGH das Urteil des LG Zwickau auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung an eine andere Schwurgerichtskammer des LG. Die neue Verhandlung muss die Indizien in ihrer Gesamtschau würdigen und die rechtlichen Maßstäbe für die Bewertung der Tatmerkmale korrekt anwenden.

 

Fazit

Dieser Fall zeigt, wie komplex die Bewertung von Taten sein kann, die unter extremen emotionalen Zuständen begangen werden. Er unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen und umfassenden Beweiswürdigung, um zu einer begründeten Entscheidung zu gelangen.

 

Sollten Sie ein ähnliches Problem haben, bieten wir Ihnen gerne eine umfassende Beratung an. Mit unserer langjährigen Erfahrung im Strafrecht vertreten wir Sie kompetent und engagiert, um Sie in solchen Verfahren bestmöglich zu verteidigen.

 

 

 

Dieser Blogartikel dient nur zu Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Wenn Sie spezifische Fragen oder Anliegen haben, wenden Sie sich bitte an einen qualifizierten Rechtsanwalt.

 

Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19. Dezember 2024, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.

 

Strafverteidigern & Rechtsanwältin

Werdegang

Zur Person & Rechtsanwältin Isabelle Gronemeyer

Isabelle Gronemeyer (Strafverteidigung Essen)
Studium
  • 2006-2010 Studium der Rechtswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum mit Schwerpunktbereich Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie
  • 2011 Erstes Staatsexamen am OLG Düsseldorf
Referendariat
  • 2011-2013 Landgerichtsbezirk Bochum
  • Arzthaftungskammer (Zivilstation)
  • Staatsanwaltschaft Bochum
  • Kreispolizeibehörde Mettmann (Verwaltungsstation)
  • Anwaltsstation bei renommierter Kanzlei für Strafverteidigung
  • Staatsanwaltschaft Bochum, Dezernat für Kapitaldelikte (Wahlstation)
Anwaltschaft
  • 2013 Zweites Staatsexamen am Justizministerium NRW
  • 2013 Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
  • 2014 Rechtsanwaltskanzlei Isabelle Gronemeyer
  • 2017 Fachanwältin für Strafrecht
  • Mitglied im FORUM Junge Anwaltschaft des Deutschen Anwaltvereins

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