Am 7. März 2024 entschied das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig unter dem Aktenzeichen 1 ORs 49/23 über einen Fall, der die Strafbarkeit des Gebrauchs eines gefälschten Impfzertifikats betraf. Der Angeklagte hatte im Oktober 2021 einen gefälschten Impfpass vorgelegt, um ein digitales Impfzertifikat zu erhalten. Das Amtsgericht Braunschweig hatte ihn zunächst freigesprochen, da es von einem sogenannten unvermeidbaren Verbotsirrtum ausging. Die Staatsanwaltschaft legte jedoch Revision ein und das Oberlandesgericht Braunschweig befasste sich mit dem Fall.
Vorlage eines gefälschten Impfpasses in Braunschweiger Apotheke
Der Angeklagte hatte sich im Oktober 2021 dazu entschlossen, einen gefälschten Impfpass in einer Apotheke in Braunschweig vorzulegen. Der Impfpass wies zwei angebliche Covid-19-Impfungen aus, die er jedoch nie erhalten hatte. Der Angeklagte gab an, dass er Angst vor der neuartigen Impfung gehabt habe und deshalb den gefälschten Impfpass nutzte, um ein digitales Impfzertifikat zu erhalten.
Er erklärte weiter, dass er zwar moralische Bedenken gehabt habe, aber davon ausging, dass sein Verhalten nicht strafbar sei. Diese Annahme basierte auf Informationen, die er im Internet gefunden hatte. Dort hatte er von ersten Gerichtsentscheidungen gelesen, die das Fälschen von Impfpässen als straflos einstuften, und von einem Gesetzgebungsverfahren gehört, das eine Strafbarkeitslücke schließen sollte. Diese Informationen bestärkten ihn in seiner Überzeugung, dass er nichts Unrechtes tat.
Das Amtsgericht Braunschweig folgte dieser Argumentation und sprach den Angeklagten frei. Es ging davon aus, dass der Angeklagte einem seine Strafbarkeit ausschließenden Verbotsirrtum gemäß § 17 StGB unterlegen war. Dies ist der Fall, wenn jemand eine Handlung für erlaubt hält, obwohl sie verboten ist, und dieser Irrtum unvermeidbar war. Die Annahme der Unvermeidbarkeit eines solchen Irrtums ist allgemein mit hohen Anforderungen verbunden. Das Gericht argumentierte in diesem Fall, dass die Rechtslage zum Zeitpunkt der Tat unklar gewesen sei und es höchst zweifelhaft sei, welche Rechtsauskunft der Angeklagte bei einer Nachfrage erhalten hätte.
Entscheidung des OLG Braunschweig und Schlussfolgerungen
Die Staatsanwaltschaft legte gegen dieses Urteil Revision ein, und der Fall landete vor dem Oberlandesgericht Braunschweig. Das OLG hob das Urteil des Amtsgerichts auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Braunschweig zurück.
Das Oberlandesgericht kritisierte die Beweiswürdigung des Amtsgerichts als lückenhaft. Es bemängelte, dass das Amtsgericht keine konkreten Feststellungen dazu getroffen habe, auf welche Internetquellen der Angeklagte sich konkret berufen habe. Es sei nicht ausreichend, pauschal auf eine Internetrecherche zu verweisen, ohne die genauen Quellen und den Inhalt der gefundenen Informationen zu benennen.
Darüber hinaus stellte das Oberlandesgericht fest, dass die vom Angeklagten genannten Quellen und Entscheidungen erst nach dem Tatzeitpunkt veröffentlicht wurden. Der Gesetzentwurf zur Neuregelung der Strafbarkeit des Gebrauchs gefälschter Impfzertifikate datierte vom 8. November 2021, also nach der Tat am 25. Oktober 2021. Auch die Entscheidung des Landgerichts Osnabrück, die zur Straflosigkeit des Vorlegens eines gefälschten Impfausweises kam, wurde erst am 26. Oktober 2021 veröffentlicht.
Das Oberlandesgericht betonte zudem, dass der Angeklagte seiner Erkundigungspflicht nicht ausreichend nachgekommen sei. Es sei nicht genug, sich lediglich auf Informationen aus dem Internet zu verlassen. Vielmehr hätte der Angeklagte eine rechtskundige Person befragen müssen. Da zum Tatzeitpunkt keine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung vorlag, hätte der Angeklagte auf die Vorlage des gefälschten Impfpasses verzichten müssen, bis die Rechtslage geklärt war.
Insgesamt kam das Oberlandesgericht Braunschweig zu dem Schluss, dass die Annahme eines unvermeidbaren Verbotsirrtums durch das Amtsgericht nicht gerechtfertigt war. Es hob daher das Urteil auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung zurück.
Fazit
Der Fall zeigt, dass die bloße Annahme, eine Handlung sei straflos, nie ausreicht, um sich vor Strafe zu schützen. Es ist wichtig, sich umfassend und bei qualifizierten rechtskundigen Personen über die Rechtslage zu informieren. Insbesondere in Zeiten rechtlicher Unsicherheit sollte man vorsichtig agieren und auf die Handlung verzichten, bis die Rechtslage geklärt ist.
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Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 7. März 2024, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.