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Isabelle Gronemeyer, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Strafrecht

Strafrechtlich relevante Inhalte in privaten Chatgruppen

In der Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 08. Juli 2024 (Aktenzeichen 1 Ws 171/23) wurde ein interessanter Fall behandelt, der sich mit der Frage des „Verbreitens“ von inkriminierten Inhalten in privaten Chatgruppen auseinandersetzte. Die Angeklagten, darunter mehrere Polizeibeamte, wurden beschuldigt, in verschiedenen WhatsApp-Gruppen über mehrere Jahre hinweg Bilder und Videos mit verbotenen Inhalten geteilt zu haben. Die zentrale Frage war, ob das Einstellen dieser Inhalte in eine geschlossene Chatgruppe das Straftatbestandsmerkmal des Verbreitens erfüllt. 

 

Ermittlungen und Beteiligte

Die Angeklagten, fünf von ihnen Polizeibeamte und eine Lebensgefährtin eines der Beamten, waren Teil mehrerer WhatsApp-Gruppen, in denen zwischen 2014 und 2018 eine Vielzahl von Bild- und Videodateien ausgetauscht wurden. Diese Inhalte umfassten unter anderem Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und volksverhetzende Inhalte. 

 

Die Ermittlungen gegen die Angeklagten wurden eingeleitet, nachdem im Herbst 2018 an einem Dienstrechner eines Polizeireviers die Anschrift einer Rechtsanwältin abgefragt worden war – kurz vor dem Versand eines Drohfaxes. Diese Abfrage führte zur Sicherstellung eines Mobiltelefons, das eine Vielzahl von inkriminierten Inhalten offenbarte. 

 

Eine der zentralen Chatgruppen in diesem Fall war die sogenannte „Itiotentreff“-Gruppe, die aus sechs bis acht Mitgliedern bestand. In dieser Gruppe tauschten die Mitglieder innerhalb eines Jahres über 1600 Nachrichten aus. Der Ton in dieser Gruppe war von schwarzem Humor geprägt, was sich auch im gewählten Namen der Gruppe widerspiegelte. Die Mitglieder nutzten die Plattform, um sich mit schockierenden oder provokanten Inhalten gegenseitig zu „belustigen“. 

 

Die Staatsanwaltschaft argumentierte, dass das Einstellen dieser Inhalte in den Chatgruppen das Tatbestandsmerkmal des Verbreitens im Sinne des Strafgesetzbuches erfülle. Sie ging davon aus, dass die Angeklagten zumindest billigend in Kauf nahmen, dass die Inhalte an eine unbestimmte Vielzahl von Personen weitergeleitet würden. Die Angeklagten hielten dem entgegen, dass die Inhalte lediglich im privaten Kreis geteilt wurden, ohne die Absicht, sie zu verbreiten.

 

Gerichtliche Bewertung und Schlussfolgerungen

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschied, dass kein hinreichender Tatverdacht für das Verbreiten der inkriminierten Inhalte vorliege. Das Gericht stellte fest, dass das Tatbestandsmerkmal des Verbreitens eine Weitergabe von Inhalten an einen größeren, unbestimmten Personenkreis voraussetzt. Eine solche Verbreitung konnte in diesem Fall nicht nachgewiesen werden. Die Inhalte blieben in den privaten, geschlossenen Chatgruppen und wurden nicht an eine unkontrollierbare Anzahl von Personen weitergegeben.

 

Das Gericht betonte, dass die bloße Möglichkeit, dass Nachrichten in einem Messenger-Dienst wie WhatsApp weitergeleitet werden könnten, nicht ausreiche, um eine strafrechtlich relevante Verbreitung anzunehmen. Es seien konkrete Anhaltspunkte erforderlich, die darauf hindeuten, dass eine solche Weitergabe wahrscheinlich ist und vom Täter zumindest billigend in Kauf genommen wird. Solche Anhaltspunkte lagen im vorliegenden Fall nicht vor.

 

Darüber hinaus verwies das Gericht auf die Meinungsfreiheit der Angeklagten und darauf, dass das Strafrecht nicht dazu dienen soll, private Meinungsäußerungen zu sanktionieren, solange diese nicht tatsächlich eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen. Das Urteil verdeutlicht, dass das Teilen von Inhalten in einer eng begrenzten privaten Gruppe nicht automatisch mit einer öffentlichkeitswirksamen Verbreitung gleichzusetzen ist.

 

Insgesamt zeigt dieser Fall, wie wichtig die Differenzierung zwischen privater Kommunikation und öffentlicher Verbreitung von Inhalten im digitalen Zeitalter ist.

Rechtsanwältin Gronemeyer aus Essen steht Ihnen gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Unsere Kanzlei kann Ihnen helfen, die Auswirkungen dieser Entscheidung aus dem Strafrecht zu verstehen und Sie bei rechtlichen Fragen unterstützen.

 

Dieser Blog-Artikel dient nur zu Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Wenn Sie spezifische Fragen oder Anliegen haben, wenden Sie sich bitte an einen qualifizierten Rechtsanwalt.

Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 08. Juli 2024, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.


Strafverteidigern & Rechtsanwältin

Werdegang

Zur Person & Rechtsanwältin Isabelle Gronemeyer

Isabelle Gronemeyer (Strafverteidigung Essen)
Studium
  • 2006-2010 Studium der Rechtswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum mit Schwerpunktbereich Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie
  • 2011 Erstes Staatsexamen am OLG Düsseldorf
Referendariat
  • 2011-2013 Landgerichtsbezirk Bochum
  • Arzthaftungskammer (Zivilstation)
  • Staatsanwaltschaft Bochum
  • Kreispolizeibehörde Mettmann (Verwaltungsstation)
  • Anwaltsstation bei renommierter Kanzlei für Strafverteidigung
  • Staatsanwaltschaft Bochum, Dezernat für Kapitaldelikte (Wahlstation)
Anwaltschaft
  • 2013 Zweites Staatsexamen am Justizministerium NRW
  • 2013 Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
  • 2014 Rechtsanwaltskanzlei Isabelle Gronemeyer
  • 2017 Fachanwältin für Strafrecht
  • Mitglied im FORUM Junge Anwaltschaft des Deutschen Anwaltvereins

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