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Isabelle Gronemeyer, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Strafrecht

Zwangsweise Entsperrung eines Smartphones: Darf die Polizei das?

Lesen Sie in diesem Artikel der Kanzlei Gronemeyer aus Essen über eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Bremen vom 8. Januar 2025 (Aktenzeichen: 1 ORs 26/24). In diesem Fall ging es um die zwangsweise Entsperrung eines Smartphones durch Auflegen des Fingers des Beschuldigten auf den Fingerabdrucksensor. Diese Entscheidung wirft interessante Fragen zur Nutzung biometrischer Daten und den damit verbundenen rechtlichen Rahmenbedingungen auf.

 

Durchsuchung und Beschlagnahme: Die Ausgangslage des Falls

Anfang Februar 2023 wurde die Wohnung des Angeklagten aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts Bremen durchsucht. Der Angeklagte stand unter Verdacht, kinderpornografische Schriften zu verbreiten. Während der Durchsuchung klingelte ein Smartphone, das sich in der Nähe des Angeklagten befand. Auf Nachfrage der Polizei, ob er ein funktionierendes Smartphone besitze, verneinte der Angeklagte dies zunächst.

 

Das Smartphone war durch einen Fingerabdruck gesichert, und die Polizei forderte den Angeklagten auf, das Gerät zu entsperren. Der Angeklagte verweigerte die Mitwirkung. Daraufhin wurde er darüber belehrt, dass die Polizei das Smartphone auch zwangsweise entsperren könne. Der Angeklagte versuchte daraufhin, den Raum zu verlassen, wurde jedoch von einem Polizeibeamten am Arm ergriffen. Es kam zu einem Handgemenge, bei dem der Angeklagte versuchte, sich zu befreien. Schließlich wurde er zu Boden gebracht und fixiert. Die Polizei legte seinen Finger auf den Fingerabdrucksensor und entsperrte das Smartphone.

 

Der Angeklagte wurde daraufhin wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte angeklagt und in erster Instanz zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt. Gegen dieses Urteil legte er Berufung ein, die jedoch vom Landgericht Bremen als unbegründet verworfen wurde. Der Angeklagte ging daraufhin in Revision zum OLG Bremen.

 

Gerichtliche Beurteilung der Zwangsmaßnahme

Das Oberlandesgericht Bremen bestätigte die Entscheidung der Vorinstanzen und wies die Revision des Angeklagten als unbegründet zurück. Das Gericht argumentierte, dass die zwangsweise Entsperrung des Smartphones durch Auflegen des Fingers des Beschuldigten auf den Fingerabdrucksensor rechtmäßig sei und auf § 81b Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO) gestützt werden könne.

 

Das Gericht stellte klar, dass § 81b Abs. 1 StPO nicht nur die Erhebung, sondern auch die unmittelbare Nutzung biometrischer Merkmale umfasse. Diese Norm erlaubt es, Maßnahmen wie die Aufnahme von Fingerabdrücken und Lichtbildern zur Durchführung des Strafverfahrens vorzunehmen. Das OLG Bremen erweiterte diese Auslegung und argumentierte, dass das Auflegen eines Fingers auf den Fingerabdrucksensor eines Smartphones eine ähnliche Maßnahme sei. Diese Maßnahme sei technikoffen formuliert und umfasse daher auch moderne Technologien wie Fingerabdrucksensoren.

 

Das Gericht erkannte an, dass die Maßnahme das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sowie das Recht auf körperliche Unversehrtheit berührt. Es hielt die Maßnahme jedoch für verhältnismäßig, da sie einem übergeordneten öffentlichen Interesse – der effektiven Strafverfolgung – diene. Die zwangsweise Entsperrung des Smartphones sei eine weniger eingriffsintensive Maßnahme im Vergleich zur dauerhaften Speicherung von Fingerabdrücken.

 

Das OLG Bremen betonte, dass die Maßnahme geeignet, erforderlich und angemessen sei. Sie diente dem legitimen Ziel der Aufklärung des Tatvorwurfs der Verbreitung kinderpornografischer Schriften. Eine mildere Maßnahme stand nicht zur Verfügung, da die Entsperrung des Smartphones durch eine Fingerabdruck-Attrappe einen intensiveren Eingriff dargestellt hätte. Die Maßnahme war auch angemessen, da die Intensität des Eingriffs in die Grundrechte des Beschuldigten im Vergleich zu den zu schützenden Rechtsgütern zurücktrat.

 

Fazit

Die Entscheidung des OLG Bremen verdeutlicht, wie Gerichte mit der Nutzung moderner Technologien im Rahmen der Strafverfolgung umgehen. Sie zeigt, dass die zwangsweise Entsperrung eines Smartphones durch Auflegen des Fingers des Beschuldigten auf den Fingerabdrucksensor rechtlich zulässig sein kann, solange die Maßnahme verhältnismäßig ist und einem legitimen Ziel dient. Diese Entscheidung zeigt die Bedeutung einer sorgfältigen Abwägung zwischen den Grundrechten des Einzelnen und den Interessen der Strafverfolgung.

 

Sollten Sie ein ähnliches Problem haben, bieten wir Ihnen gerne eine umfassende Beratung an. Mit unserer langjährigen Erfahrung im Strafrecht vertreten wir Sie kompetent und engagiert, um Sie in solchen Verfahren bestmöglich zu verteidigen.

 

 

 

Dieser Blogartikel dient nur zu Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Wenn Sie spezifische Fragen oder Anliegen haben, wenden Sie sich bitte an einen qualifizierten Rechtsanwalt.

 

Quelle der Entscheidung: Entscheidung des OLG Bremen vom 8. Januar 2025, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.

 

Strafverteidigern & Rechtsanwältin

Werdegang

Zur Person & Rechtsanwältin Isabelle Gronemeyer

Isabelle Gronemeyer (Strafverteidigung Essen)
Studium
  • 2006-2010 Studium der Rechtswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum mit Schwerpunktbereich Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie
  • 2011 Erstes Staatsexamen am OLG Düsseldorf
Referendariat
  • 2011-2013 Landgerichtsbezirk Bochum
  • Arzthaftungskammer (Zivilstation)
  • Staatsanwaltschaft Bochum
  • Kreispolizeibehörde Mettmann (Verwaltungsstation)
  • Anwaltsstation bei renommierter Kanzlei für Strafverteidigung
  • Staatsanwaltschaft Bochum, Dezernat für Kapitaldelikte (Wahlstation)
Anwaltschaft
  • 2013 Zweites Staatsexamen am Justizministerium NRW
  • 2013 Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
  • 2014 Rechtsanwaltskanzlei Isabelle Gronemeyer
  • 2017 Fachanwältin für Strafrecht
  • Mitglied im FORUM Junge Anwaltschaft des Deutschen Anwaltvereins

Im Notfall

Hier finden Sie erste Verhaltenstipps bei Durchsuchung und Beschlagnahme oder Festnahme. Sie geraten in eine äußerst belastende Ausnahmesituation, wenn plötzliche Polizeibeamte vor Ihrer Tür stehen und Ihre Wohnung durchsuchen wollen oder Ihnen sogar einen Haftbefehl zeigen und Sie oder einen nahen Angehörigen auffordern mitzukommen. In derartigen Situationen ist zunächst wichtig: Keine Panik!

Bitte bewahren Sie Ruhe!

Bei Durchsuchungen:

Lassen Sie sich den Durchsuchungsbeschluss aushändigen und kontrollieren Sie, ob alle beschlagnahmten Gegenstände im Verzeichnis aufgelistet wurden! Sie haben das Recht, Zeugen/Zeuginnen hinzuziehen; machen Sie hiervon Gebrauch!

Bei Haftbefehlen:

Lassen Sie sich den Haftbefehl aushändigen!

Informieren Sie einen Strafverteidiger oder bitten Sie Ihre Angehörigen, einen Verteidiger für Sie zu kontaktieren!

Das Wichtigste: ohne anwaltlichen Rat unbedingt schweigen!
Sie haben (lediglich) die Pflicht, Ihre Personalien (Angaben im amtlichen Ausweisdokument) anzugeben - darüber hinaus müssen und sollten Sie keine Angaben machen!

Auch in der extremen Stresssituation einer Durchsuchung oder Verhaftung, denken Sie daran, dass Ihnen ein Schweigerecht zusteht! Machen Sie davon unbedingt Gebrauch und geben Sie keine Erklärungen irgendwelcher Art ab, ohne mit Ihrem Verteidiger Rücksprache gehalten zu haben! Sie haben jederzeit das Recht, sich an einen Strafverteidiger zu wenden.

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